„Leinen los!“ statt Klassenfahrt

Kieler Sprotte wurde zur „Sprottanic“

„Leinen los!“ hieß es für alle Schülerinnen und Schüler, aber auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer lerntherapeutischen Einrichtung „Kieler Sprotte“ in der letzten Schulwoche vor den Sommerferien.

Das gesamte Schuljahr 2020/21 wurde das Hygienekonzept erfolgreich umgesetzt und trotz Corona-Pandemie konnte der Schulbetrieb ohne einen einzigen positiven Coronafall fast normal aufrecht erhalten werden – eine beachtliche Leistung aller Beteiligten, immerhin leben die Schülerinnen und Schüler in mehr als ein Dutzend unterschiedlichen Wohngruppen oder Elternhäusern!

Auch wenn die zwei Mal in der Woche durchgeführten Coronatests zur immer weniger nervig gewordenen Routine wurden, stand dennoch fest, dass es in diesem Schuljahr wieder keine Schulfahrt geben durfte. Damit wollte sich das Team der „Kieler Sprotte“ nicht abfinden. Als die aus 2020 ins Jahr 2021 verschobene viertägige Fahrt seitens der Jugendherberge coronabedingt erneut abgesagt wurde, stand fest: eine Alternative muss her!

Orientiert an den jahrelangen Erfahrungen der Partnereinrichtung Jean-Itard-Zentrum im brandenburgischen Wolzig bei Berlin plante das Team der „Kieler Sprotte“ ein klassenfahrtersetzendes Event auf dem Gelände der Einrichtung. Ein Motto war schnell gefunden: Es sollte auf „Kreuzfahrt“ gehen!

 

So wurden mit viel Liebe zum Detail weder Kosten noch Mühen gescheut, den Schülerinnen und Schülern in der letzten Schulwoche vor den Sommerferien ein unvergessliches Erlebnis zu bescheren. Mit großen an die Hauswand geklebten Lettern wurde aus dem Gebäude der „Kieler Sprotte“ das Kreuzfahrtschiff „Sprottanic“ (der Faible des Schulleiters zur weltberühmten „Titanic“ war natürlich reiner Zufall). Aus der Rampe vor dem Haupteingang wurde die „Gangway“, auf der sich alle „Passagiere“ bei Ankunft am ersten Tag versammelten, um auf das „Boarding“ zu warten. Nach dem bei einer Kreuzfahrt üblichen Gesundheitscheck (in diesem Fall der Coronatest), bekamen alle Passagiere einen Deckplan überreicht.

Ein genauer Deckplan der „Sprottanic“ sowie die Bord- und Punktekarte durften nicht fehlen.

Dieser verriet, was sich „an Bord“ alles finden ließ. Statt Klassenräumen waren auf dem Plan beispielsweise das Bordcasino, die Schiffsbibliothek, das Kinderparadies, die 1. Klasse oder die Kreativwerkstatt zu finden. Der Pausenhof hatte sich in das Pool- und Sonnendeck verwandelt – sogar mit einem, wenn auch kleinen, Pool zur Erfrischung.

Die Spannung stieg, als mehr und mehr Passagiere geduldig auf das Boarding warteten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der „Kieler Sprotte“ waren in verschiedene Rollen geschlüpft, um allen ein möglichst realistisches Kreuzfahrterlebnis zu bieten. So hatte sich der Schulleiter (wer auch sonst?) in den Kapitän der „Sprottanic“ verwandelt. Zusammen mit zwei Lehrerinnen, die zu Stewardessen wurden, hatte er alle Hände voll zu tun, einen Erzieher, der sich in den motzenden Passagier „Klaus Clausen“ verwandelt hatte, zu besänftigen, der von seinem Reisebüro falsch beraten wurde. Statt der ihm angedachten Ü80-Kreuzfahrt stand dem rüstigen Rentner inklusive Tennissocken in Sandalen und reingestecktem T-Shirt in seiner viel zu hoch gezogenen Bermudashorts nun eine U18-Kreuzfahrt bevor!
Ein anderer Passagier musste besänftigt werden, als er aufgelöst schluchzte, er habe jetzt aber doch gar kein Gepäck für die Kreuzfahrt dabei…

Beim Betreten der „Sprottanic“ wurde alle Passagiere herzlichst vom (dänischstämmigen?) Chefanimateur „Bigge Pati“ begrüßt und bekamen eine Blumenkette um den Hals gelegt. Anschließend folgte das obligatorische Boardingfoto mit dem Kapitän. Dieses wurde vor der großen Freitreppe der „Sprottanic“ im Ballsaal aufgenommen – einer Leihgabe des Deutschen Titanic-Vereins.
Dann überreichten die Schiffsbibliothekarin und der 1.Klasse-Steward jedem eine Papiertüte, in der sich neben der Bordkarte auch die Punktekarte und das Kreuzfahrt-T-Shirt befand. Als sich alle Passagiere umgezogen auf dem Pooldeck versammelt hatten, begrüßte Bigge alle Reisenden mit einem (natürlich alkoholfreien) Sekt und die Reise konnten beginnen.

Die Route führte von Kronshagen aus in die USA, nach Griechenland und nach Italien. Der Speisesaal der Schule, der sich in den Ballsaal verwandelt hatte, wurde je nach Land dekoriert und mit passender Musik beschallt, wenn zum – natürlich auch zum Fahrtgebiet passenden – Mittagessen geläutet wurde. Nach dem Essen öffnete hier auch die Cocktailbar, an der jeden Tag ein anderer Drink angeboten wurde.

Alle Passagiere nutzten voller Freude die zahlreichen Animationsangebote, die die Crew der „Sprottanic“ für sie vorbereitetet hatte. Vom Schminken im Kinderparadies über das Pokerturnier im Casino oder das Fußballturnier auf dem Pooldeck – es war für jeden etwas dabei. Diejenigen, die besonders gut an den Aktivitäten mitgemacht hatten, konnten sich mit ihrer Punktekarte am Nachmittag ihren Zugang in die 1. Klasse sichern. Neben der Nutzung von Spielekonsolen, iPads und einer Playstation wurde hier in gediegener Atmosphäre ein zweiter Cocktail serviert. Parallel bot der Ballsaal Großevents wie Karaokesingen oder – das darf nun wirklich auf keiner Kreuzfahrt fehlen – Bingo spielen.

 

In den Tagen entstand in der Kreativwerkstatt ein Ölgemälde auf Leinwand, das von nun an den Speisesaal der „Kieler Sprotte“ zieren und an die Kreuzfahrt erinnern wird.

Am letzten Tag der Reise wich die „Sprottanic“ haarscharf einem Eisberg aus. Sie passierte das Ungetüm aber noch so nah, dass die Küchenchefin so viel Eis abkratzen konnte, dass es für alle zum Nachtisch reichte. Gerüchteweise kam es am Nachmittag dann aber aus ungeklärten Gründen doch noch zu einem kleinen Wassereinbruch auf dem Pooldeck – was die Passagiere bei den 35 Grad im Schatten aber gern in Kauf nahmen, um sich zu erfrischen. Glücklicherweise konnte das Leck pünktlich zum Anlegen in Kronshagen gestopft werden…

So konnte die Crew der „Sprottanic“ alle Gäste wohlbehalten zurückbringen. Viele Passagiere verließen das Schiff mit leuchtenden Augen und voller Begeisterung, als sie von den Stewardessen als Erinnerung das zu Beginn der Reise geschossene Foto mit dem Kapitän überreicht bekamen. Die Crew der „Sprottanic“ verabschiedete sich von allen Passagieren und zog selbst auch ein durchweg positives Fazit. Der Aufwand bei Planung und Durchführung war immens – aber das Leuchten in den Augen der Kinder und die begeisterte Teilnahme an der „Kreuzfahrt“ bewiesen: es hat sich gelohnt!